Magazintitel
Girls just wanna have fundamental rights
eine Frau umarmt eine andere Frau von hinten
Seitennummer
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Untertitel
Von Rechten, Repräsentanz und Ressourcen in der Textilindustrie
Menschen machen Kleider
Bild #01 05

Die Fashion-Welt dreht sich immer schneller. Während Modelabels früher nur zwei neue Kollektionen pro Jahr produzierten, sind seit dem Siegeszug von Fast Fashion 12, 16 und sogar 24 Kollektionen pro Jahr keine Seltenheit. Heute gibt es sogar Anbieter, die täglich neue Styles anbieten.  

Was wir dabei häufig vergessen: Kleidung wird von Menschen hergestellt – zum größten Teil von Frauen im Globalen Süden und nicht immer unter menschenwürdigen Bedingungen.  

 

Damit sich daran etwas ändert, brauchen Frauen* vor allem 3 Dinge: Rechte, Repräsentanz und Ressourcen. Wie es um diese aktuell bestellt ist, möchten wir euch in unserer ersten Ausgabe des Grüner-Knopf-Magazins näherbringen. 

 

Die 3R – Rechte, Repräsentanz und Ressourcen – sind übrigens auch zentraler Bestandteil der feministischen Entwicklungspolitik, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)verfolgt.  

Ihr wollt mehr dazu wissen, was das in der Praxis bedeutet? Infos zur Strategie der feministischen Entwicklungspolitik des BMZ findet ihr unter www.bmz.de/de/themen/feministische-entwicklungspolitik

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Hintergrund
Frau im Hemd überschlägt Arme
„Gender matters. Men and women experience the world differently.

Gender colors the way we experience the world. But we can change that.“ 

Chimamanda Ngozi Adichie, nigerianische Schriftstellerin

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Näherinnen in einer Fabrik arbeiten mit dem Rücken zur Kamera
Rund 80% der Menschen, die unsere Kleidung fertigen, sind Frauen*.

85% der Textilarbeiterinnen* in Indonesien sind über sexuelle Belästigung besorgt.   

Quelle: saubere-kleidung.de - Gewalt an Frauen in der bangladeschischen Bekleidungsindustrie 

 

Jede dritte Textilarbeiterin* in Kambodscha berichtet über sexuelle Belästigung.  

Quelle: textilbuendnis.com - Jahresthema 2020: Geschlechtsspezifische Gewalt in Textil-Lieferketten 

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Profilbild Thivya Rakini
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Thivya Rakini ist die Landesvorsitzende der von Frauen geführten Tamil Nadu Textile and Common Labour Union (TTCU).  Mit dem Dindigul Agreement hat die TTCU die erste rechtsverbindliche Vereinbarung über geschlechtsspezifische Gewalt in Asien ausgehandelt, eine „wegweisende Vereinbarung“.  

 

Der Grüne Knopf hat mit ihr dazu gesprochen, wie es Frauen* in der Textilproduktion geht und welche Veränderungen seitens der Modeindustrie notwendig sind, um ihre Lage zu verbessern. 

 

Wie ist die Situation von Frauen* in den textilen Lieferketten?  

Die Situation der Arbeiterinnen* in der Textilproduktion, die europäische Länder beliefert, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten kaum verbessert. Die Audits und CSR-Initiativen haben kaum etwas an der Kultur der geschlechtsspezifischen Gewalt geändert, die in den meisten Fabriken alltäglich ist.  

Was sollte getan werden, um die Situation von Frauen* in den textilen Lieferketten zu verbessern?  

Ich denke, dass Brands die wichtigsten Akteure sind, die diese Kultur ändern können. Brands sollten die ILO-Konvention 190 für Bekleidungsarbeitende implementieren, indem sie Vereinbarungen mit Bekleidungsarbeitenden, Zulieferern und Gewerkschaften unterzeichnen, um geschlechtsspezifische Gewalt zu beseitigen.   

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Auch das Dindigul Agreement dient der Beseitigung geschlechtsspezifischer Gewalt. Mit dem Dindigul Agreement konnten wir mit einem lokalen Zulieferer zusammenarbeiten, um mehr als 160 Beschwerden von Frauen* in einem Jahr zu bearbeiten. Wir haben auch festgestellt, dass sich die Produktivität und Effizienz der Fabrik verbessert hat. 

 

Wir hoffen, dass alle Brands dem Dindigul Agreement beitreten oder ähnliche Vereinbarungen mit unseren Gewerkschaftspartnern der Asia Floor Wage Alliance in den Produktionsländern unterzeichnen werden.  

Wenn Sie eine Veränderung in der Textilindustrie über Nacht herbeiführen könnten, welche wäre das?  

Die Vereinigungsfreiheit (Freedom of Association, FOA) ist das wichtigste Recht, das den Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie den Zugang zu allen anderen Freiheiten und Rechten ermöglicht. Wenn die Vereinigungsfreiheit nicht wirklich gewährleistet ist, sind Arbeiterinnen* ständig der Gefahr geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt.  

 

Wir hoffen, dass Brands und Zulieferer dies erkennen und mit Gewerkschaften auf lokaler Ebene und ihren globalen Partnern zusammenarbeiten, damit menschenwürdige Arbeit und gute Arbeitsbeziehungen Realität werden. 

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Frau, deren Gesicht halb von einem rosa Hijab verdeckt ist
Girls just wanna have fundamental rights

In Ländern, in denen Textilien hergestellt werden, haben Frauen häufig einen schlechteren Zugang zu sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Ressourcen, um sich weiterzubilden oder für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Das hat mehrere Gründe: Ihre schlechtere gesellschaftliche Stellung zwingt sie häufig in schlechte Arbeitsverhältnisse. Je nach Land und Kontext werden Arbeiterinnen zusätzlich aufgrund ihrer ethnischen, religiösen oder auch Kastenzugehörigkeit diskriminiert. Arbeiter*innen in der Textilindustrie müssen in der Regel keine umfangreichen Qualifikationen mitbringen, um eingestellt zu werden und entwickeln sich nicht weiter. Aufstiegschancen: Fehlanzeige! 

 

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Frau, deren Gesicht bis auf die Augen von einem rosa Hijab verdeckt ist
Lohn, der nicht zum Leben reicht

Dazu kommt: Textilarbeiter:innen verdienen oft sehr wenig. Ihr Lohn reicht kaum oder nur gerade so zum Überleben. Der nationale Mindestlohn ist meistens so gering, dass sie damit häufig nicht ihre Existenz sichern können. Das bedeutet, dass nicht genug Geld für Nahrung, Gesundheit, Wohnung, Bildung oder Transportmittel vorhanden ist. Frauen sind von den niedrigen Löhnen besonders stark betroffen, weil sie oft die schlechter bezahlte Akkordarbeit übernehmen. Rücklagen, die ihnen eine Absicherung im Alter und bei Krankheit ermöglichen, können sie kaum bilden. Dass Frauen weniger verdienen als Männer, ist zudem auch in den Ländern des Globalen Nordens keine Seltenheit. In den Produktionsländern des Globalen Südens trifft dieser Lohnunterschied die Frauen jedoch besonders hart: In der Textilproduktion verdienen Männer dort teilweise doppelt so viel für die gleiche Arbeit.

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Fehlender Arbeitsschutz
Näherin mit Mundschutz bei der Arbeit

Die prekäre Lage der Textilarbeiterinnen* verschärft sich zusätzlich durch ungenügenden Arbeitsschutz. Sie arbeiten oft ohne oder unter schlechten Verträgen. Dadurch haben Frauen*  oft keinen Anspruch auf Entschädigung bei einem Unfall oder Unglück und häufig keine Kranken- oder Arbeitslosenversicherung.   

 

Bei einer Verletzung sind sie auf ihre eigenen Ersparnisse angewiesen, die sie höchstwahrscheinlich nicht haben.   

 

Quelle: femnet.de - Geschlechterspezifische Diskriminierung von Arbeiter_innen in der Textilindustrie   

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beiger Hintergrund
Mutterschaft in der Textilindustrie
Bauch einer schwangeren Frau mit ihren Händen darauf

Die systematische Diskriminierung von Frauen in den Produktionsländern beginnt oft schon vor dem ersten Arbeitstag. So stellen einige Arbeitgeber*innen nur unverheiratete Frauen ohne Kinder ein, die sich dazu verpflichten müssen, nicht schwanger zu werden.  

Manche müssen sich sogar einem Schwangerschaftstest unterziehen, bevor sie einen Arbeitsvertrag erhalten. Wird eine Arbeiterin schwanger, versucht sie dies oft so lange wie möglich zu verheimlichen und muss dann trotzdem körperlich anstrengende Arbeiten verrichten – eine große Gefahr für Mutter und Kind.  

 

Doppelbelastung und Überstunden 

 

Familie und Job zu vereinbaren, ist immer eine Herausforderung. In der Textilindustrie sind exzessive Überstunden – teilweise gibt es 16-h-Arbeitstage – keine Seltenheit. Dazu kommen  in vielen Produktionsländern häufig sehr traditionelle Rollenbilder: Frauen sind oft allein für Haushalt und Kinder zuständig – auch wenn sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen. 

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Hintergrundbild
Näherin an der Nähmaschine
Ein CEO einer der fünf größten Modemarken der Welt braucht nur vier Tage, ...

...um den gleichen Betrag zu verdienen, den eine Textilarbeiterin in Bangladesch im Laufe ihres Lebens verdienen wird.      

 

Quelle: Oxfam 2018: Reward work, not wealth 

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Frau in grünem Hosenanzug
Unternehmen in der Pflicht

Um die Situation von Arbeiter:innen in der Textilindustrie und insbesondere von Frauen zu verbessern, müssen sich die Herstellungsbedingungen ändern. Unternehmen müssen darauf achten, dass in ihren Lieferketten Menschenrechte eingehalten werden, Arbeitsplätze sicher sind und ökologische Standards gelten. Sie müssen sich mit Risiken in der Lieferkette und den Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auseinandersetzen und Änderungen herbeiführen, z.B. auch bei den eigenen Einkaufspraktiken. Neben den Unternehmen selbst setzen sich auch einige Initiativen dafür ein, dass sich die Bedingungen für Frauen* in den Textillieferketten verbessern. 

 

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Dazu gehören zum Beispiel: 

 

Der International ACCORD

Das Abkommen zwischen Gewerkschaften und Textilunternehmen fördert Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und ermöglicht Textilarbeiter*innen z.B. die Teilnahme an Sicherheitstrainings. Das stärkt ihre Rechte.   

 

Das Bündnis für Nachhaltige Textilien 

Im Rahmen von Bündnisinitiativen schließen sich Mitglieder der Multi-Stakeholder-Initiative zusammen, um bei dem Thema Geschlechtergerechtigkeit Verbesserungen zu erzielen, beispielsweise durch Projekte in Indien und Tunesien. Geschlechtergerechtigkeit ist eins von vier Fokusthemen des Bündnisses.   

 

Der Grüne Knopf

Seit 2019 stellt das Siegel Anforderungen an unternehmerische Sorgfaltspflichten. Als sogenanntes Sektorrisiko müssen sich Unternehmen hierbei auch mögliche Formen der Diskriminierung in ihren Lieferketten anschauen.  

 

Dindigul Agreement

Das Abkommen zwischen Textilunternehmen und Gewerkschaften schafft Bedingungen für gewerkschaftsgeführte kollektive Maßnahmen zur Beendigung von geschlechtsspezifischer Gewalt in Textilfabriken. 

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Rücken einer blonden Frau im grünen Hosenanzug

Herausgeber:  

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH  

  

Sitz der Gesellschaft: 

Bonn und Eschborn  

  

Umgesetzt durch:  

Geschäftsstelle Grüner Knopf  

Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin, Deutschland  

T +49 30 / 338 424 – 777  

  

Im Auftrag von:  

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)  

Stresemannstraße 94, 10963 Berlin, Deutschland 

T +49 30 1 85 35-0  

F +49 30 1 85 35-25 01 

 

Bildrechte: 

Pexels/Cottonbro Studio (Seite 1-2, 10, 13) 

Unsplash/Ilyas Bolatov (Seite 3) 

GettyImages/Roberto Westbrook (Seite 4) 

iStock/Triloks (Seite 10) 

GIZ (Seite 5)

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Pexels/Ivan Samkov (Seite 9) 

Pexels/Sasha Kim (Seite 11-12) 

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