3 Fragen an

Raoul Kirmes | Deutsche Akkreditierungsstelle

Ing. Prof. Dr. Raoul Kirmes leitet seit 2016 den für Grundsatzfragen zuständigen Stabsbereich in der Deutschen Akkreditierungsstelle DAkkS. Er hat Rechtswissenschaften und Informatik in Berlin und Breslau studiert sowie zum europäischen Normungs- und Akkreditierungsrecht promoviert.
Darüber hinaus ist Dr. Kirmes Ingenieur für Informationssicherheitstechnik und Lehrbeauftragter der Technischen Hochschule Brandenburg. Mit seiner Expertise begleitete er zudem die Geschäftsstelle Grüner Knopf und den Siegelgeber in der Weiterentwicklung des staatlichen Siegels als Beiratsmitglied.

Herr Kirmes

1. Was macht ein glaubwürdiges Siegel aus?

Die Glaubwürdigkeit von Siegeln ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Zuvorderst gehört, dass die Zertifizierungsstelle unabhängig und fachlich kompetent ist und diese Eigenschaften regelmäßig staatlich überwacht werden. Dies ist bei akkreditierten Systemen wie dem Grünen Knopf der Fall. Alle im Grünen Knopf tätigen Zertifizierungsstellen bieten eine hohe Gewähr für ihre Unabhängigkeit und die Richtigkeit ihrer Konformitätsaussagen.

Ein zweiter Aspekt für die Glaubwürdigkeit von Siegeln sind die Prüfverfahren selbst. Dieses wurden beim Grünen Knopf zusätzlich durch die nationale Akkreditierungsstelle  auf Herz und Nieren geprüft: Dem Zertifizierungsprogramm des Grünen Knopfs wurde in einer behördlichen Analyse und Prüfung bescheinigt, dass die Verfahren dem Stand von Wissenschaft und Technik genügen und geeignet sind, reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse zu liefern.

Drittens macht sich die Glaubwürdigkeit des Siegels auch daran fest, dass die Konformitätsaussage des Grünen Knopfs richtig kommuniziert und durch die Verbraucher und Verbraucherinnen richtig verstanden wird. Der Prüfumfang und -gegenstand muss klar sein. Der Grüne Knopf z.B. prüft keine konkreten Produkteigenschaften, sondern stellt Anforderungen an die Einhaltung festgelegter Prozesse der Produktion von Textilien, an das Risikomanagement- und das Sorgfaltspflichtensteuerungssystem beim Hersteller oder Inverkehrbringer des Produktes. Die geprüften Prozesse und Systeme befähigen das Unternehmen, bestimmte Mindestanforderungen in der Lieferkette grundsätzlich nicht zu unterschreiten. Zusätzlich müssen Unternehmen nachweisen, dass sie eine langfristige Verbesserung der Produktionsbedingungen im Blick haben. Die Prozesse zur Steuerung und Kontrolle der Lieferketten sollten auch darauf angelegt sein, systematisch langfristige Ziele zu verfolgen, auch wenn dies aufgrund der globalen Realitäten heute noch nicht in jedem Einzelfall immer gegeben sein kann. Ein Beispiel hierfür ist die Zahlung von existenzsichernden Löhnen, auf die mittle- und langfristig hingearbeitet werden muss.

2. Was sind die größten Herausforderungen bei Prüfungen?

Die Komplexität der Lieferketten in einer globalisierten und vernetzen Wirtschaft stellen eine erhebliche Herausforderung für die Unternehmen aber auch für die Prüferinnen und Prüfer dar. Lieferketten offenzulegen und die Kontrolle festgelegter Eigenschaften in der tieferen Lieferkette sind eine wichtige Voraussetzung, um eine reale Verbesserung vor Ort realisieren zu können. Darauf muss es ankommen. Die Kennzeichnung mit dem Grünen Knopf macht deutlich, dass die Hersteller oder Inverkehrbringer genau das versuchen: Unternehmen stoßen gezielt Prozesse an, die mittel- und langfristig eine spürbare Verbesserung im Hinblick auf die Beachtung menschenrechtlicher Standards in der Produktion zu realisieren vermögen.  

3. Sie haben den GK als Beiratsmitglied begleitet. Was ist für Sie das Besondere am Grünen Knopf?

Wir haben in der nationalen Akkreditierungsstelle einen guten Überblick über die international verfügbaren Systeme, die vergleichbare Zielsetzungen anstreben. Der Grüne Knopf verfolgt einen ambitionierten Ansatz im Hinblick auf die festgelegten Anforderungen für die Unternehmen und verbindet diese aber zugleich mit einem Höchstmaß an internationaler Kompatibilität bei der Systemumsetzung. Der Grüne Knopf setzt nämlich konsequent auf die in der Wirtschaft etablierten Systeme zur Konformitätsbewertung gemäß dem sogenannten „New Legislative Framework“ der Europäischen Union. Das befähigt die Textilunternehmen dazu, die Anforderungen des Grünen Knopf mit geringerem Aufwand einzuführen und langfristig zu betreiben, weil die etablierten Instrumente und internationalen Anerkennungssysteme genutzt werden. Diese Systemkompatibilität sicherzustellen war mir ein besonderes Anliegen, denn die Zielstellungen des Grünen Knopfs hängen auch von der Akzeptanz der Hersteller ab, die sich den Prüfungen stellen müssen. Der Grüne Knopf kann dadurch auch einen wichtigen Beitrag insbesondere für KMU leisten, die Risiken ihrer Lieferketten zu beherrschen.