3 Fragen an
Christine Moser-Priewich & Florian Tiedtke | Geschäftsstelle Grüner Knopf
Christine Moser-Priewich und Florian Tiedtke bilden das Leitungsteam der Geschäftsstelle des Grünen Knopfs. Beide sind seit Einführung des Siegels Teil der Geschäftsstelle, haben den Standard mit erarbeitet und weiterentwickelt.
1. Das Herzstück des Grünen Knopfs ist die Prüfung der unternehmerischen Sorgfaltsprozesse. Was heißt das genau und warum ist das so wichtig?
Die Anforderungen an die unternehmerischen Sorgfaltsprozesse beim Grünen Knopfs basieren – wie auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - auf internationalen Rahmenwerken der Vereinten Nationen und der OECD. Grüner-Knopf-Unternehmen müssen nachweisen, dass sie Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen und menschenrechtliche Risiken in den Blick nehmen. Denn gerade in Textil-Produktionsländern sind Menschenrechtsverletzungen leider keine Seltenheit.
Die unternehmerische Sorgfaltspflicht beschreibt einen dauerhaften Prozess: Neben dem klaren Bekenntnis eines Unternehmens zu seiner Verantwortung gehören dazu insbesondere die Analyse, Priorisierung, Prävention und Milderung von Risiken. Damit die Risiken erkannt und abgestellt werden können, müssen effektive Beschwerdemöglichkeiten für Arbeiter*innen gefördert werden. Im Schadensfall muss Abhilfe geleistet werden. Außerdem müssen Unternehmen rund um diesen Prozess transparent berichten. Grundgedanke des Sorgfaltspflichtenansatzes ist - und das ist das Wichtige daran – dass sowohl Hersteller als auch Brands menschenrechtliche Risiken erkennen und gemeinsam an Verbesserungen arbeiten. Es reicht eben nicht, Anforderungen einfach an Lieferanten weiter zu reichen. Welche Risiken prioritär sind, wird individuell beurteilt. Hier fließt der Länderkontext in die Bewertung ein, aber darüber hinaus auch das Geschäftsmodell und die Einkaufspraktiken der Brands sowie die Bedingungen der individuellen Zulieferbetriebe. Die Bevor ein Unternehmen den Grünen Knopf erhält, prüfen unabhängige Zertifizierungsstellen, ob die Anforderungen an die unternehmerischen Sorgfaltspflichten eingehalten werden.
2. Warum produzieren Unternehmen überhaupt in Ländern, in denen Risiken vorliegen?
Die Textilindustrie ist in vielen Länder ein wichtiger Wirtschaftszweig und sichert das Einkommen vieler Familien. Gerade im asiatischen Raum hat dies in den vergangenen Jahren positive Entwicklungen ermöglicht. Mit den Arbeitsplätzen eröffneten sich den Menschen wirtschaftliche Perspektiven und auch ihre soziale Situation verbesserte sich. Leider kommt es aber in zahlreichen Produktionsländern noch immer zu Menschenrechtsverletzungen. Die Herausforderung liegt darin, die Produktion auch in Risikoländern so zu verbessern, dass eine sozial und ökologisch nachhaltige Produktion ermöglicht wird. Der Sorgfaltspflichtenansatz sieht vor, dass Unternehmen gemeinsam mit ihren Zulieferern an diesen Verbesserungen arbeiten. Erst wenn das nicht zum Erfolg führt und die Risiken unbeherrschbar werden, ist als letztes Mittel ein Rückzug geboten.
3. Was fordert der Grüne Knopf von Unternehmen, wenn sie ihre Aufträge aus Hochrisikoländern zurückziehen?
Ein Abbruch von Geschäftsbeziehungen kann schwerwiegende Implikationen haben, denn er ist auch immer mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Einkommen bei den Menschen im Land verbunden. In der Textilindustrie betrifft das vor allem Frauen. Zu verantwortungsvollem unternehmerischen Handeln gehört demnach auch, dass ein möglicher Rückzug aus einem Produktionsland gewissenhaft geschieht. Ein weiterer Schaden für Mensch und Umwelt ist zu vermeiden. Sollten Unternehmen aufgrund der Risikobewertung der Situation vor Ort beschließen, sich zurückzuziehen, müssen verpflichtend Grüner-Knopf-Kriterien für einen verantwortungsvollen Rückzug eingehalten werden. Dazu gehört unter anderem, dass Unternehmen ihren Zulieferern den Rückzug mit ausreichend Vorlaufzeit (proportional zum Auftragsvolumen) ankündigen und dass potenziell Betroffene die Möglichkeit haben, Probleme oder Vorfälle im Rahmen des Rückzugs zu melden.